Ein Riesenhai in Pampau! (2019)
2019 begannen frühzeitig Erweiterungsmaßnahmen in der Tongrube, um einen neuen Abbau vorzubereiten. Hierfür wurden zunächst eiszeitliche Deckschichten entfernt, um den Ton großflächig freizulegen. Wie üblich erfolgte eine regelmäßige Begleitung des Abbaus.
In der Vergangenheit konnte sehr vereinzelt Treibholz im Glimmerton beobachtet werden. Bei einer Begehung im Februar 2019 lagen abermals bräunliche Splitter in der Baggerspur am oberen Rand der neuen Grube. Treibholz. Oder doch nicht? Wolfgang Höpfner erkannte schnell, dass diese kleinen Bruchstücke weder Knochensplitter eines Meeressäugers, noch Treibholz sein konnten, denn es waren abgegrenzte Ringe und Kreisabschnitte erkennbar. Diese Splitter konnten nur von einem Haiwirbel stammen!
Elektrisiert von seiner Entdeckung suchte Höpfner das Umfeld ab und fand eine Stelle mit einem frisch angerissenen kreisrunden Wirbel, der mit über 18 cm Durchmesser zu einem wahrhaft riesigen Hai gehören musste. Aufgrund der Größe ist von einer Körperlänge von ehemals mehr als 10m auszugehen. Bald tauchten weitere plattige Knorpelreste auf, die aus dem Schädel- oder Kieferbereich des Tieres stammten. In den nächsten Monaten brachte die Ausgrabung und Nachbearbeitung viele kleine Schätze ans Licht.
Der Riesenhai gehört wie auch alle anderen Haie in die Klasse der Knorpelfische. Im Gegensatz zu Knochen besteht Knorpel aus organischem Material, das schnell verwest. Knorpel wird sehr selten und nur unter besonderen Einbettungsumständen fossil überliefert. Der Riesenhai ist daher in den Sedimenten eines längst untergegangenen Ökosystems meist nur über die sogenannten Reusendorne (Teile des Filtrier-apparates in den Kiemen) oder die noch viel kleineren Oralzähne aus dem Schlund nachweisbar.
Die hier beschriebenen Überreste waren eingebettet in eine Tonschicht mit sehr viel Pyritkonkretionen, die möglicherweise als ein Hinweis auf einen damals nicht abgeschlossenen Abbau von organischem Material im Meeresboden betrachtet werden können. Der Fund gilt schon jetzt als Rarität, denn bisher sind Wirbel und weitere Skelettreste im Langenfeldium noch nicht wissenschaftlich beschrieben worden. Zusätzlich hervorzuheben ist die Tatsache, dass in direkter Nähe der großen Knorpelplatten mehr als 1.300 Zähne von verschiedenen Dornhaiarten geborgen werden konnten. Dornhaie fressen normalerweise keine anderen Haie. Was hat sich also hier abgespielt? Ist es der Nachweis, dass der Riesenhai doch als Festmahl für diese Schwarmfische gedient hat? Dies wäre eine sehr ungewöhnliche Erkenntnis und wird sicherlich auch Gegenstand der Bearbeitung des Fundes sein.
Hinzu kommt, dass sich die Erforschung der Evolution von Riesenhaien seit einigen Jahren in steter Bewegung befindet. Wurden frühere Nachweise aus verschiedenen Epochen oft nur einer Art zugerechnet, sind mittlerweile mehrere (ausgestorbene) Gattungen und Arten bekannt. Ob auch diese Entdeckung ein neues Puzzlestück darstellt?
Die wissenschaftliche Bearbeitung steht noch aus. Der Fund kann noch nicht öffentlich gezeigt werden.
Fertig präparierter Fund des Riesenhais (Cetorhinus sp.) aus dem Langenfeldium von Groß Pampau. Abmessungen 1000x500 mm.
Illustration des Fundes.
Einer der Wirbel im Tonblock. Nun transportfertig freigelegt.
Aus der Präparation: Einer der Wirbel des Riesenhais.
Es folgt sowohl vorsichtige weitere Freilegung, wie auch Stabilisierung.
Oralzahn Cetorhinus sp. ca. 5mm hoch.
Nur durch feinmaschiges Sieben zu bergen.
Reusendorn Cetorhinus sp. im Anstehenden.
Breite des Dorns ca. 20 mm.
Die ersten Zähnchen von Dornhaien (Squalidae) tauchten beim Schlämmen des Tones im direktem Umfeld der Knorpelplatten auf. Am Ende konnten mehr als 1.300 Zähne geborgen werden. Ein Zahn ist ca. 3 mm breit.
Für den Pressetermin erfolgte eine kleine und schematische Rekonstruktion eines Dornhaigebisses.
Zähne von Dornhaien sind sehr klein. Das gilt ebenso für die Zähne von Riesenhaien, deren Abmessungen meist unter 5mm liegen. Im Rahmen der Ausgrabung wurde die Tonschicht im Bereich der Überreste daher mit Wasser in einem sehr feinen Sieb aufgelöst (geschlämmt), um auch ganz kleine Fragmente bergen zu können.
Eine wahre Schlammschlacht! Warum Meeresboden in Groß Pampau barfuß auch extrem pieksig sein kann? Weil darin eben nicht nur feiner Sand enthalten ist, sondern beispielsweise auch ein Gemisch aus Pyrit, sowie kleinsten Überresten verschiedener Bewohner der Urnordsee – und ebenfalls die oben genannten Zähne.
Nach dem Schlämmen wird das verbleibende Material (Siebrückstand) getrocknet, danach grob und fein gesiebt, sodass unterschiedliche Kornfraktionen entstehen. Später erfolgt unter dem Mikroskop die fieberhafte Suche nach den kleinen Schätzen.
Im groben Material finden sich Überreste von Fischen, darunter Wirbel, Rippen, Zähne und Gehörsteine (Otolithen), Hautzähne von Rochen, Muscheln, Schnecken, Scaphopoden und natürlich größere Bruchstücke von Riesenhai-Reusendornen. Je feiner das Material gesiebt wird, desto feiner die Ausbeute: Hier tauchen dann zusätzlich auch die Oralzähne des Riesenhais auf, ebenso wie Foraminiferen, Seeigelplatten und -stacheln, sowie weitere Überreste von Kleinstlebewesen.
Nachsuche im Ton - irgendwo muss doch noch mehr liegen! Leider ohne Arbeit keine Beute :)
Fango ohne Massage - Svenja Warnke und Martin Kupsch lösen den Ton mit Wasser über einem feinen Sieb auf. Es verbleibt ein Bodensatz, der weiter verarbeitet wird.
Was vom Boden übrig blieb :) Hier nach dem Sieben mit grober Maschenweite.
Fossilien aus dem Meeresboden nach Durchsicht mit dem Mikroskop. Links: Sehr kleine Maschenweite. Darin enthalten u.a. auch Foraminiferen (grau). rechts: Grobe Maschenweite. Darin enthalten diverse Fischüberreste, z.B. unten diverse Gehörsteine (Otolithen). Linie als Maßstab = 10mm