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Eine Lederschildkröte aus der Urnordsee (2020)

Heute ist sie ein seltener Gast in der Nordsee, der immer für großes Aufsehen sorgt: Die Lederschildkröte. Gemächlich dahingleitend, war sie in der warmen Urnordsee jedoch ein üblicher Bewohner und Begleiter der Wale von Groß Pampau. Und doch ist der fossile Nachweis bisher eher rar, vergleichbar mit den Überresten von Meeresschildkröten.

In früheren Jahren wurden nur wenige und einzeln eingebettete Panzerplatten in Groß Pampau geborgen. Sie sind meist zwei bis drei Zentimeter groß, vieleckig und können an ihrer speziellen Knochenstruktur eindeutig erkannt werden. Verglichen mit der heutigen Lederschildkröte kann man ihre Urahnen aus dem Miozän durchaus als urtümlich bezeichnen, denn die Panzerplatten sind meist 10 bis 12mm hoch und damit im Vergleich zu den heutigen Lederschildkröten ungewöhnlich dick.

Das Panzerplatten-Puzzle

Wieder einmal war die Begleitung der Abbautätigkeiten im Februar 2020 ein Glücksfall, denn eine längliche und bräunliche Verfärbung in der Spur der Baggerschaufel zog Gerhard Höpfners Blick an. Ob hier ein Walknochen angeritzt wurde? Es folgte eine sofortige Unterbrechung des Abbaus in diesem Bereich. Höpfner untersuchte die Verfärbung und hob das erste Puzzlestück auf – eine durch die Schaufel angeschnittene Panzerplatte aus dem Carapax (Rückenpanzer) einer Lederschildkröte! Aufregend: In einer Linie folgten weitere Panzerplatten. Bei der folgenden intensiven Grabung konnten hunderte Teile dieses Puzzles geborgen werden, das am Ende aus rund 300 größeren Platten bestand :)

Der Ton aus der Fundstelle wurde gesichert und nachträglich über ein feines Sieb mit Wasser aufgelöst. Eine Schlammschlacht, die sich gelohnt hat. Es tauchten noch viele kleinere Panzerplatten auf, die ohne diese Feinarbeit verloren gegangen wären. Neben den vielen Panzerplatten konnten zusätzlich noch einige weitere Knochenreste des Skeletts geborgen werden. Einige Panzerplatten weisen Vertiefungen auf, die wahrscheinlich auf Angriffe von Prädatoren zurückzuführen sind.

Schon heute kann der Fund als herausragend für das obere Mittelmiozän Nordeuropas angesehen werden.

Lederschildkröte (Psephophorus polygonus). Überreste aus dem Carapax und weitere Knochenfragmente. Langenfeldium von Groß Pampau. Montage für die Ausstellung, 1.000 x 500 mm.

Illustration des Fundes. Deutlich erkennbar sind die einzelnen vieleckigen Platten im Rückenpanzer (Carapax).


Entdeckung im Ton: Die einzelnen Panzerplatten sind kaum von getrockneten Tonbrocken  zu unterscheiden.


Ausgrabungsszene. Der Bagger hat leider einige Platten beim Tonabbau weit verteilt. Daher muss auch die Tonhalde abgesucht werden. 

Ein Rührwerk mit Benzinmotor macht es möglich: Der Ton wird nun gut aufgelöst und läuft mit dem Wasser über ein feines Sieb. Das Wasser selbst wird mit Motorpumpe aus der Grube heraufgepumpt.

Ein Puzzle mit leider fehlenden Teilen. Der Panzer ist total zerfallen und verstreut eingebettet worden. Durch das Schlämmen konnten viele weitere Fragmente zum Puzzle hinzugefügt werden.

Die Evolution der Lederschildkröten ist nachwievor nicht ganz geklärt, denn die einzige heute noch lebende Lederschildkrötenart Dermochelys coriacea scheint kein direkter Nachfahre der Lederschildkröten des Miozäns zu sein. Panzerplatten im Glimmerton werden der bisher bekannten Art Psephophorus polygonus zugeordnet. Zu den großen Raritäten in Europa zählen Knochen dieser Reptilien.

Jeder Fund könnte Hinweise auf eine bisher unentdeckte Linie geben – ob unser Exemplar eine Lücke schließen kann? Die wissenschaftliche Bearbeitung steht noch aus.

Frühere Funde

Zwei einzelne Panzerplatten, nicht zusammengehörend. Jeweils ca. 30mm groß. Beide Stücke wurden 2019 an anderen Stellen in der Tongrube entdeckt.